Archiv für Mai 2011
Die Vorfreude auf die erste Flachetappe war gross, zumindest bis ich heute kurz nach 6 Uhr zu ersten Mal zum Fenster hinaus geschaut hatte. Regennasse Fahrbahn auf der Autobahn. Naja, wahrscheinlich hatte es in der Nacht geregnet. Halb 7… ins Bad… kurz vor 7… alle Sachen geschnappt und ab in den Fruehstuecksraum. Fruehstueck gibts zwar erst ab 8 aber ich hatte ja alles notwendige fuers Fruehstueck alleine und den Proviant des Tages gekauft. Blick aus dem Fenster… immer noch regennasse Fahrbahn. Erste Zweifel komme, ob das mit dem Regen wirklich schon vorbei ist. 7:10 … der erste Schritt vor die Herberge und die Gewissheit…. es ist nicht vorbei, aber es ist nur leichter Spruehregen, also nicht der Rede wert. Deswegen ziehe ich doch noch lange nicht die Regenkleidung an. Als aus dem Spruehregen dann nach einer Stunde doch sowas wie Regen wurde- noch nicht stark aber immerhin – war dann sogar ich einsichtig. Also Regenjacke an, der Rucksack war ja schon von Beginn mit Regenhuelle ausgestattet.
Das muss Petrus gesehen haben. Zumindest gab es jetzt fuer ihn keinen Grund mehr , die Schleussen geschlossen zu halten. Ab jetzt regnet es immer ca. 1/4 Stunde wie aus Eimern und liess dann fuer 10 min. nach. Kaum kam bei mir Optimismus auf, befahl Petrus wieder “Wasser marsch”. Kurz vor Portugalete katte sich die Sache zu einem gepflegten Dauerregen entwickelt.
Ich war mir ziemlich sicher, dass gleich Noah mit seinem Schiff und den vielen Tieren um die Ecke gesegelt kommt und deshalb habe ich erst einmal auf dem Lidl-Parkplatz (!) (der war ueberdacht) Pause gemacht. Dummerweise kam aber Noah nicht, so dass ich nach einer halben Stunde , bei fast trockenem Wetter, weiterlief.
Petrus sah mich wohl auf die Strasse biegen, wartete aber noch 5 Minuten, damit ich nicht so schnell zurueck zum Parkplatz laufen konnte, und machte dann richtig ernst. Wie konnte er mich ueberhaupt sehen, bei der grauen Wolkensuppe am Himmel?
Klar war mittlerweile auch, dass miene Regenjacke nicht sintfluttauglich war, aber das waere wohl auch zu viel verlangt.
Der Rest des Tages ist wettertechnisch schnell erzaehlt. Keine Aenderung!!!
Das Highlight des Tages war dann der Weg von Portugalete nach Pobeña. Deutscher als die Spanier haetten das auch Deutsche nicht anlegen koennen. Es war eine Pilgerautobahn mit allem was eine Autobahn ausmacht.
2 Fahrspuren fuer die Radfahrer, eine fuer Fussgaenger. Rastplaetze mit Ein-und Ausfaedelspuren. Auf dies Rastplaetze wurde in 500 und 250 m Entfernung mit Schildern hingewiesen. Vor Kurven im Radweg wurde mit dem Verkehrszeichen “Vorsicht gefaehrliche Kurve” hingewiesen. Auch “Vorfahrt gewaehren” Schilder waren zu sehen. Eigentlich fehlten nur der Mc Drive an den Rastplaetzen. Uebrigens, bis 5 Km vorPobeña hatte ich auf 10 km Strecke keinen anderen Menschen gesehen. Warum auch, bei diesem Wetter.
Dann lief ich auf ein Pilgerpaar auf und vor dem Ueberholen habe ich lange nachgedacht, ob ich meine Taschenlampe aus dem Rucksack holen sollte, um vorschriftsmaessig vor dem Spurwechsel blinken zu koennen. Ich habe es nicht gemacht, sondern mich den beiden auf den letzten Km angeschlossen. Kurz vor der Herberge kehrten wir noch in einer Bar ein und stellten mit Erstaunen fest, das keine 5 Minuten spaeter der stroemende Regen aufgehoert hat. Kaum wieder auf der Strecke dauerte es auch keine 5 Minuten und es goss wieder wie aus Kannen. Kaum erwaehnenswert, dass jetzt, 1 Stunde nach Ankunft in der Herberge, die ersten Sonnenstrahlen durch die Bewoelkung zu sehen sind.
Fuer den morgigen Tag gibt es verschiedene Wetterprognosen. Ich lasse mich einfach mal ueberraschen.
Buen Camino und hasta luego
Heute war ein Tag Ruhe angesagt. Zum Einen um die 3 harten Anfangsetappen ein wenig zu verdauen und meinen Beinen eine kurze Regenerationsphase zu goennen, zum Anderen aber auch um ein klein wenig Bilbao kennen zu lernen. So oft kommt man ja doch nicht in die Gegend.
Obwohl ich ja nicht so sehr der Museums-Junky bin hab ich mir dann doch ganz fest das Guggenheim Museum vorgenommen. Also heute mal ein wenig ausschlafen und dann nach dem Fruehstueck entspannt mit dem Bus oder der Strassenbahn in die City. Entspannung ist aber wie alles im Leben relativ, denn hier in der Herberge ist auch ein ausgesprochen “nettes” Ehepaar aus Tirol. Er, Typ Almbauer, ist ein ganz ruhiger Geselle. Alles was er nicht redet holt seine Frau doppelt und dreifach nach. Sie ist Amerikanerin, die schon 30 Jahre in Oesterreich lebt, also Arnold Schwarzenegger in umgekehrt! Sie spricht ein Oesterreichisch mit stark amerikanischem Akzent bzw. ein Amerikanisch mit stark oesterreichischem Akzent. Da sie die Grundsprache Oesterreichisch (mit Ami-Akzent) staendig mit amerikanischen Vokabeln (in oesterreichischem Singsang) mischt, wird daraus schnell eine dritte Sprache, die ich nur mit grosser Muehe verstehe. Das interessiert die Dame aber herzlich wenig, denn sie ist versessen darauf JEDEM hier staendig alles nur erdenkliche zu erklaeren. Jeder der sich outet, dass er entweder englisch oder deutsch oder idealerweise beides spricht, ist sofort dran. Ruhe und Entspannung gibts nur wenn sie nicht in der Naehe ist. Dieser Zustand ist aber gar nicht so leicht herbeizufuehren. Solche Menschen sind wie durch Geisterhand immer irgendwie ”in der Naehe”.
Ich gehe also heute Vormittag entspannt an die Bushaltestelle und…. genau…. Frau “Oetzi-Ami” sitzt mit ihrem Peter auch schon dort. “Wo willst du hin?” war die erste Frage. Ich gehe auf der Strassenseite an die Bushaltestelle auf der der Bus Richtung Stadt faehrt, wo werde ich wohl in Bilbao morgens um halb zehn dann hin wollen? ”Ins Zentrum” war meine Antwort und als ob sie sicher gehen wollte ob ich es auch ernst meinen wuerde, kam von ihr ” du willst also fahren in the city?” ” Ja, ich will in the city” war meine Antwort. “Da musst du warten auf die number 58, our bus kommt zuerst, ist number 80, and danach comes die 58 and den musst du nehmen”. OK, ich war informiert aber bis endlich die 80 fuer Frau Oetzi-Ami kam, musste ich mir diese Erklaerung noch drei mal anhoeren. Das letzte mal direkt bevor sie in ihren Bus einstieg. Hatte etwas von der Mama, die ihr Kind belehrt, dass sie jetzt einsteigen muss, das Kind hier brav auf seinen Bus (Number 58) warten, nicht zu nah an die Strasse rangehen, nicht mit fremden Menschen mitgehen und, ueberhaupt, keinen Unsinn machen soll.
Number 58 kam wirklich kurz danach. Sie hatte wohl die Fahrplaene auswaendig gelernt. In ”the city” angekommen wollte ich zuerst meinVorhaben mit dem Guggenheim Museum in die Tat umsetzen. Pustekuchen…. das hat montags geschlossen. Es sollte nicht sein. Aber Bilbao ist ja gross und hat ja noch andere interessante Ecken und bei der Erkundung der Stadt ist mir natuerlich Frau Otzi-Ami noch dreimal ueber den Weg gelaufen. Ich schwoere, es war nicht an stadtbekannten Touristenschauplaetzen.
Nun gut, zwischen den freudigen Treffen war fuer mich einiges zu sehen so dass der Tag trotz der hartnaeckigen Frau Oetzi-Ami sehr entspannt verlief.
Ach ja, nicht vergessen, morgen geht es wieder auf den Camino. Diesmal bin ich wirklich entspannt, denn Frau Oetzi-Ami fliegt nach Hause. Ausserdem soll es eine leichte Etappe sein, erzaehlte mir mein Zimmergenosse Jorge, er ist sie heute schon als Tagestour gelaufen. Der Anfang waere beschwerlich, eine Treppe mit 379 Stufen(!!!!!) wuerde warten und danach kaeme nach 1 km ebener Strecke noch einmal 1 km “schwarze Piste”, leider jedoch aufwaerts und ohne Lift! Danach aber soll es nur total enspannt 21 km leicht abwaerts Richtung Ziel gehen.
Na denn… buen camino et hasta luego
Oliver
In der Herberge in Zarautz habe ich wieder ein Einzelzimmer genossen. Die staedtische Jugendherberge hatte zwar eher die Anmutung eines Knastes (lange kahle Gaenge, Metalltueren zu den Zimmern) aber was soll’s. Es war sauber und ausserdem war super Stimmung, denn der FC Barcelona gewann am Abend die Champions League. Ausserdem war auch die Fussballmannschaft des FC Girona an diesem Abend dort unter gebracht. 2. Spanische Liga…. das sollte mal in Deutschland vorkommen, eine Mannschaft der 2. Bundesliga die vor einem Auswaertsspiel in der Jugendherberge uebernachtet!!!
Die Etappe heute war von der weniger anstrengenden Sorte. Wenn da nicht die heftige Muedigkeit der letzten beiden schweren Etappen in den Beinen gewesen waere. Wirklich Probleme gab es nicht, die Etappe lief grossteils auf Asphalt ab, das kommt mir entgegen, denn auf diesem Untergrund laufe ich am besten und am liebsten (klingt komisch, ist aber so).
Ich hatte schon gestern Abend meine weitere Strecke der naechsten Tage abgesteckt. Da ich auf dem Camino sowieso mindestens 150 bis 200 km per Bus und Bahn zurueckliegen muss (860 km in 28 Tagen ist fuer mich definitv nicht zu machen!) habe ich nach Lektuere des Routenfuehrers beschlossen, die weiteren Etappen bis Bilbao entspannt im Zug zurueck zulegen. Um einen vollen Tag in Bilbao verbringen zu koennen stand heute direkt nach der Pilgeretappe auch noch die Zugfahrt nach Bilbao auf dem Plan.
Jetzt sitze ich in der Jugendherberge in Bilbao, meine Zimmergenossen sind 2 total nette Spanier aehnlichen Alters und ein Chinese. Mit Jorge, einem der Spanier habe ich mich schon koestlich unterhalten obwohl er kein Wort Englisch, Franzoesisch oder Deutsch spricht und meine Spanischkenntnisse, wie ihr schon wisst, ebenfalls sehr ueberschaubar sind.
Mittlerweile schuettet es hier wie aus Eimern. Ich hoffe morgen wird wieder gutes Wetter sein, damit ich Bilbao nicht in Regenkleidung erkunden muss.
Auf dem Camino geht es dann am Dienstag wieder weiter, ich habe ja heute mit 115 km ( 23 km zu Fuss, der Rest mit dem Zug) ein gutes Stueck des Weges zurueck gelegt.
Fazit des Tages: Mit mueden Beinen ist auch eine leichte Etappe nicht wirklich leicht!
Eines vorweg, heute hat mir der Camino del Norte zum ersten Mal den Zahn gezogen. In Orio war der Akku komplett leer und die regionale Buslinie musste mich unterstuetzen, mein Tagesziel in Zarautz zu erreichen.
Aber der Reihe nach. Nachdem ich, wie ich dachte, am Vortag bereits die Koenigsetappe mit dem Jaitzkibel muede aber erfolgreich geschafft hatte, ging ich recht entspannt in den heutigen Tag. Ich sollte eines Besseren belehrt werden. Schon nach 150 m kam es knueppeldick. Die anstehende Treppe mit 294 Stufen (ich habe mitgezaehlt!) war nur der Einstieg in den Aufstieg zum Monte Igeldo und kratzte schon bedenklich an meiner Moral. Am Ende der Treppe war ich mir dann nicht sicher ob ich mir nicht noch weitere 300 Stufen gewuenscht haette, denn die folgenden 2 km waren nicht wirklich einfacher. Ca. alle 20 m kam auf dem Weg eine Treppenstufe, um die Steigung des Weges ueberhaupt gangbar zu machen. Diese Etappe war in dieser Hinsicht extrem. Kaum einmal konnte ich mich ueber 500 m nahezu ebene Strecke freuen und durchatmen. Gefuehlt ging es staendig “senkrecht” bergauf oder (fast noch schlimmer) bergab.
Zu allem Ueberfluss habe ich dann auch noch bei einer Gabelung den falschen Ast genommen und bin 1,2 km, wie sollte es anders sein, steil bergab in die Irre gelaufen. Also umkehren und wieder nach oben. Der Spassfaktor hielt sich da schon in ganz engen Grenzen.
Nach dem Abstieg nach Orio hatte der Camino dann fuer den heutigen Tag endgueltig gewonnen. 315 m Hoehenunterschied auf 3,2 km Strecke mit teilweise extrem felsigem Untergrund haetten dazu schon gereicht. Der 300 m lange Anstieg zum Ortseingang Orio ( Typ “Rolltreppe”) und der anschliessende genauso steile Abstieg zum Hafen waren dann der endgueltige KO Schlag fuer meinen Durchhaltewillen.
Fazit des Tages: Ein Berglaufer werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr (schoene Gruesse an Knut) aber jetzt muss ich da einfach so gut es geht durch. Ab Bilbao wird es ja deutlich flacher.
Geplant ist der Start um 7 Uhr aber entgegen meiner sonstigen Gewohnheit puenktlich zu sein, wird es heute 7 Uhr 15 bis alles verstaut ist und ich vor der Herberge stehe. Ich sage meiner Luxusherberge kurz bye bye und mache mich auf den Weg Richtung San Sebastian. Gleich zu Beginn wartet der Jaitzkibel (546 m hoch) auf mich. Im Routenfuehrer ist von einem steilen Anstieg nach ca. 5,5 km die Rede. Keine Worte finde ich darueber, dass es auch sofort zu Beginn steil wird. Wobei… es war ja nicht steil, ich hatte den Eindruck es ginge senkrecht nach oben und Steigeisen waeren nicht verkehrt gewesen. Ein wenig nachdenklich wurde ich schon, was mich wohl bei km 5,5 erwarten wuerde, wenn diese Stelle als steil bezeichnet wird, der erste Anstieg, an dem ich gerade kaempfte, aber nicht erwahnenswert schien.
Ein wenig frustrierend war zudem, dass auch nach 2 Stunden immer noch das tolle Panorama der Bucht von Hondarribia zu sehen war, gluecklicherweise jedoch einige Hoehenmeter weiter oben. Kurz darauf kam die Minute der Entscheidung. An einer Gabelung stand ein Schilderbaum mit zwei Wegweisern ueber den Jaitzkibel. Rechts fuer “Alpinistas”, links fuer “otras personas”. Ein kurzer Blick nach rechts und die Entscheidung war gefallen. Ich gehoere eindeutig zu den “otras personas”. Acht weitere Pilger, die bei der Ueberquerung des Jaitzkibel z.T. foermlich an mir vorbei flogen (der Eine oder Andere schien wirklich auf der Flucht zu sein!) sahen sich wohl auch nicht als “Alpinistas” an. Mehr Pilger waren an diesem Tag nicht auszumachen…. sehr angenehm!
Auf dem Weg nach oben waren aus dem dichten Wald deutlich Kuhglocken zu hoeren und der Weg war uebersaeht mit Pferdeaepfel. Ich habe zwar gelesen, dass es auch Reiterpilger gibt, aber entweder Attila ist mit seinem Hunnenheer vor Kurzem hier durchgeritten oder das Pferd eines einzelnen Pilgers hatte echte Verdauungsprobleme. Das Raetsel loeste sich kurz spaeter auf, als ich mitten auf dem Weg ein schwarzes Pferd mit Kuhglocke um den Hals stehen sah. Es war nicht das Einzige auf der Strecke.
Kurz vor San Sebastian geht’ s dann abwaerts. Auch hier fehlte nicht viel zum rechten Winkel, ich schaetze mal es war der Winkel einer handelsueblichen Rolltreppe im Kaufhaus. Da dieser Steilhang 500 m lang war hat man wohl aus Kostengruenden auf den Einbau einer solchen verzichtet. Als dieses Gefaelle immer noch nicht reichte ging der Weg in Treppenstufen ueber. Mit Schuhgroesse 45 waren die kurzen Stufen nur mit Muehe zu bewaeltigen. Danach mussten nur noch die ca. 6 km quer durch San Sebastian absolviert werden. Im Vergleich zu den 19 km bis hierher waere das dann Kinderspiel gewesen ….. wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt nicht schon so unglaublich muede gewesen waere…!
Der Einstieg in den Camino ist geschafft… und morgen ist ein neuer Tag!
Buen Camino