Eines vorweg, heute hat mir der Camino del Norte zum ersten Mal den Zahn gezogen. In Orio war der Akku komplett leer und die regionale Buslinie musste mich unterstuetzen, mein Tagesziel in Zarautz zu erreichen.
Aber der Reihe nach. Nachdem ich, wie ich dachte, am Vortag bereits die Koenigsetappe mit dem Jaitzkibel muede aber erfolgreich geschafft hatte, ging ich recht entspannt in den heutigen Tag. Ich sollte eines Besseren belehrt werden. Schon nach 150 m kam es knueppeldick. Die anstehende Treppe mit 294 Stufen (ich habe mitgezaehlt!) war nur der Einstieg in den Aufstieg zum Monte Igeldo und kratzte schon bedenklich an meiner Moral. Am Ende der Treppe war ich mir dann nicht sicher ob ich mir nicht noch weitere 300 Stufen gewuenscht haette, denn die folgenden 2 km waren nicht wirklich einfacher. Ca. alle 20 m kam auf dem Weg eine Treppenstufe, um die Steigung des Weges ueberhaupt gangbar zu machen. Diese Etappe war in dieser Hinsicht extrem. Kaum einmal konnte ich mich ueber 500 m nahezu ebene Strecke freuen und durchatmen. Gefuehlt ging es staendig “senkrecht” bergauf oder (fast noch schlimmer) bergab.
Zu allem Ueberfluss habe ich dann auch noch bei einer Gabelung den falschen Ast genommen und bin 1,2 km, wie sollte es anders sein, steil bergab in die Irre gelaufen. Also umkehren und wieder nach oben. Der Spassfaktor hielt sich da schon in ganz engen Grenzen.
Nach dem Abstieg nach Orio hatte der Camino dann fuer den heutigen Tag endgueltig gewonnen. 315 m Hoehenunterschied auf 3,2 km Strecke mit teilweise extrem felsigem Untergrund haetten dazu schon gereicht. Der 300 m lange Anstieg zum Ortseingang Orio ( Typ “Rolltreppe”) und der anschliessende genauso steile Abstieg zum Hafen waren dann der endgueltige KO Schlag fuer meinen Durchhaltewillen.
Fazit des Tages: Ein Berglaufer werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr (schoene Gruesse an Knut) aber jetzt muss ich da einfach so gut es geht durch. Ab Bilbao wird es ja deutlich flacher.
Geplant ist der Start um 7 Uhr aber entgegen meiner sonstigen Gewohnheit puenktlich zu sein, wird es heute 7 Uhr 15 bis alles verstaut ist und ich vor der Herberge stehe. Ich sage meiner Luxusherberge kurz bye bye und mache mich auf den Weg Richtung San Sebastian. Gleich zu Beginn wartet der Jaitzkibel (546 m hoch) auf mich. Im Routenfuehrer ist von einem steilen Anstieg nach ca. 5,5 km die Rede. Keine Worte finde ich darueber, dass es auch sofort zu Beginn steil wird. Wobei… es war ja nicht steil, ich hatte den Eindruck es ginge senkrecht nach oben und Steigeisen waeren nicht verkehrt gewesen. Ein wenig nachdenklich wurde ich schon, was mich wohl bei km 5,5 erwarten wuerde, wenn diese Stelle als steil bezeichnet wird, der erste Anstieg, an dem ich gerade kaempfte, aber nicht erwahnenswert schien.
Ein wenig frustrierend war zudem, dass auch nach 2 Stunden immer noch das tolle Panorama der Bucht von Hondarribia zu sehen war, gluecklicherweise jedoch einige Hoehenmeter weiter oben. Kurz darauf kam die Minute der Entscheidung. An einer Gabelung stand ein Schilderbaum mit zwei Wegweisern ueber den Jaitzkibel. Rechts fuer “Alpinistas”, links fuer “otras personas”. Ein kurzer Blick nach rechts und die Entscheidung war gefallen. Ich gehoere eindeutig zu den “otras personas”. Acht weitere Pilger, die bei der Ueberquerung des Jaitzkibel z.T. foermlich an mir vorbei flogen (der Eine oder Andere schien wirklich auf der Flucht zu sein!) sahen sich wohl auch nicht als “Alpinistas” an. Mehr Pilger waren an diesem Tag nicht auszumachen…. sehr angenehm!
Auf dem Weg nach oben waren aus dem dichten Wald deutlich Kuhglocken zu hoeren und der Weg war uebersaeht mit Pferdeaepfel. Ich habe zwar gelesen, dass es auch Reiterpilger gibt, aber entweder Attila ist mit seinem Hunnenheer vor Kurzem hier durchgeritten oder das Pferd eines einzelnen Pilgers hatte echte Verdauungsprobleme. Das Raetsel loeste sich kurz spaeter auf, als ich mitten auf dem Weg ein schwarzes Pferd mit Kuhglocke um den Hals stehen sah. Es war nicht das Einzige auf der Strecke.
Kurz vor San Sebastian geht’ s dann abwaerts. Auch hier fehlte nicht viel zum rechten Winkel, ich schaetze mal es war der Winkel einer handelsueblichen Rolltreppe im Kaufhaus. Da dieser Steilhang 500 m lang war hat man wohl aus Kostengruenden auf den Einbau einer solchen verzichtet. Als dieses Gefaelle immer noch nicht reichte ging der Weg in Treppenstufen ueber. Mit Schuhgroesse 45 waren die kurzen Stufen nur mit Muehe zu bewaeltigen. Danach mussten nur noch die ca. 6 km quer durch San Sebastian absolviert werden. Im Vergleich zu den 19 km bis hierher waere das dann Kinderspiel gewesen ….. wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt nicht schon so unglaublich muede gewesen waere…!
Der Einstieg in den Camino ist geschafft… und morgen ist ein neuer Tag!
Buen Camino
Jetzt ist es also soweit. Heute Frueh hob das Flugzeug puenktlich um 7:30 Uhr in Berlin Richtung Madrid ab. Von Dort ging es dann mit fast einstuendiger Verspaetung weiter nach San Sebastian; besser gesagt nach Hondarribia, dort ist der Flughafen von San Sebastian. Der Flughafen hat eher den Cahrakter eines Busbahnhofs. Zwei nette Taxifahrer haben mir verzweifelt versucht den Weg zur Jugendherberge zu erklaren und einer der beiden hat dann auch das erste Foto meines Caminos gemacht. Die beiden einigten sich dann noch darauf, dass es maximal 2 km bis zur Herberge waeren. Ich habe es dann locker geschafft, die 2 km auf 3,9 km zu verlaengern. Habe wohl nicht alles richtig verstanden und alle die ich unterwegs fragen wollte waren auch Touris oder konnten meine spanischen Sprachversuche beim besten Willen nicht verstehen. Kein Wunder, denn 1. kann ich wirklich kaum ein Wort Spanisch und 2. die Basken, wie mir mittlerweile scheint, auch nicht, denn das was ich dort so hoere und lese kann ich nicht wirklich mit spanisch in Verbindung bringen.
Ein netter Wirt verstand ein paar Worte Englisch und erklaerte mir begeistert, dass es nur noch 2 km gerade aus ginge und schon waere ich dort. Komisch. Laut Taxifahrer waren es insgesamt nur 2 km, ich bin aber schon 2 km gelaufen und meinem Ziel anscheinend noch keinen Meter naeher gekommen. Dafuer regnete es mittlerweile kraeftig. Gut so, denn dann habe ich die Regenklamotten nicht umsonst mit nach Spanien geschleppt. Der Wirt hatte uebrigens masslos uebertrieben, es waren nur noch 1, 9 km bis zur Herberge.
Fazit des Tages: Alles bestens nur an meinem Spanisch sollte ich sehr schnell arbeiten, damit ich nicht immer die Doppelte Distanz bis zum Tagesziel zuruecklegen muss.
Gruss nach Deutschland!
Oliver
Liebe Freunde der Seite “Jakobsweg zu Fuss.de”
Ich habe euch versprochen, dass ich taeglich hier meine Erlebnisse vom Tag schreibe. Leider macht mir die Technik hier einen Strich durch die Rechnung. Ueber das Smartphone kann ich die Artikel, die ich geschrieben habe nicht hochladen. Ich werde also meine Taktik aendern (sorry aber die spanische Tastatur hat keine Umlaute!) und meine Tagesartikel auf Papier nieder schreiben und dann in den Herbergen, in denen es einen Internetanschluss gibt, abtippen. Es kann also sein, dass ihr tagelang keine Neuigkeiten von mir hoert. Keine Sorge, mich wird es dann noch geben und ihr werdet frueher oder spaeter alles ueber meinen Jakobsweg lesen koennen.
Soweit mal fuer den Moment.
Buen Camino
Olvier
Ich melde mich erst heute wieder zurück. Die letzte Woche kam ich einfach nicht dazu in Fleißarbeit meine drei Statistiken fertig zu stellen. Ich habe mir mal die Mühe gemacht eine Entfernungstabelle zu erstellen. Mit der ist es einfach die Entfernungen zwischen zwei Orten auf dem Camino del Norte abzulesen. Die Tabelle findet ihr hier.
Die Entfernungen von Ort zu Ort könnt ihr hier ablesen und das Höhenprofil zwischen den einzelnen Orten auf dem Camino del Norte ist in diesem Diagramm verewigt.
Übrigens……. heute sind es noch 61 Tage bis zum Abflug nach San Sebastian!
Buen Camino